Job mit Licht und Schatten +++ Professionelle Strukturen und trotzdem Dorf-DNA
Tanja Schroten ist Sportliche Leiterin beim JFV A/O/B/H/H. Wie ihr Arbeitsalltag und der Kampf, die beste Talentschmiede der Region zu bleiben, sie herausfordern.
Für Tanja Schroten ist es das schönste Büro der Welt. Wenn sie am Bürotisch sitzt, kann sie auf den Fußballrasen schauen. Jeden Tag. Im Stadion am Auetal in Ahlerstedt wird Schrotens Hobby zum Beruf. „Schöner geht es doch nicht“, sagt Schroten, die im Mai das Büro im neuen Vereinsgebäude der SV Ahlerstedt/Ottendorf bezog.
Sie erhält bis zu 50 Nachrichten am Tag
Schroten leitet seit der Gründung des JFV A/O/B/H/H 2020 die sportlichen Geschicke des Jugendfördervereins. Das ist ihr Hauptberuf und eine Herausforderung. Seit sie 18 Jahre alt ist, coacht sie bei ihrem Heimatverein SV Ahlerstedt/Ottendorf Mannschaften, aktuell eine U13 in der Kreisliga.
Als Sportliche Leiterin kümmert sie sich um die Spieltagsorganisation und verwaltet alle Spielansetzungen. Auch sorgt sie dafür, wann und wo die rund 750 Kinder und Jugendlichen trainieren. Die Ahlerstedterin hat immer eine offene Bürotür und ist Ansprechpartner für Trainer, Spieler und Eltern. Die Kommunikation ist für Schroten das A und O bei A/O/B/H/H.Telefonieren und WhatsApp-Nachrichten schreiben „sind der Teil der Arbeit, den keiner sieht“, sagt sie. Manchmal sind es 50 Nachrichten, die sie am Tag beantworten muss. Der Austausch lebe vom Geben und Nehmen.
Professionelle Strukturen und trotzdem Dorf-DNA
Schroten ist eine von vier Sportlichen Leitern. Fabian Grigat unterstützt Schroten und ist für den gesamten JFV zuständig. Zudem führen mit Thorsten Wahlers (U16 bis U19) und Sebastian Schlüter (U13 bis U15) zwei Kollegen den Leistungsbereich.
Wie die Top-Sportdirektoren im Profifußball, wie Christoph Freund von Bayern oder Markus Krösche von Eintracht Frankfurt, arbeitet auch Schroten, die es mit dem 1. FC Köln hält – „nur in klein und mit Dorfcharakter“.
Der JFV sei allerdings nicht so professionell, wie viele Außenstehende immer denken. Hier wird noch die Dorf-DNA gelebt. Schroten schaut auf das JFV-Logo mit den Wappen der vier Stammvereine. Für einen dieser Vereine, den man in der DNA habe, spiele man – mit Leidenschaft. Schroten sagt: „Wenn man Lust auf die Sache hat, kann man viel erreichen und dann wird es immer professioneller. Wir sind schon relativ gut, sind aber ein Dorf.“ Diese Identität prägt die Arbeit im JFV, auch wenn die Strukturen wachsen.
Noch ist A/O/B/H/H die Top-Adresse im Elbe-Weser-Dreieck – auch im Mädchenfußball, wo der JFV wie im Leistungsbereich mit dem Heeslinger SC kooperiert. Doch der Druck wächst, Talente zu schmieden, und nicht nur in der Breite besser zu werden, sondern qualitativ.
Kampf um die Talente: JFV hat neuen Konkurrenten
Die Talentschmiede der vier Geest-Vereine buhlt ab der U13 auch um Jugendspieler anderer Vereine aus der Region. Jetzt bekommt sie Gegenwind aus dem Norden. Dass mit dem JFV D/A & Stade ein neuer Mitbewerber in den Kampf um die besten Talente einsteigt, bezeichnet Schroten als „okay“.
Beide Talentschmieden sind „ihres Glückes Schmied“, so Schroten. „Es wird mal passieren, dass ein Spieler von Ahlerstedt nach Stade wechselt und umgekehrt.“ Deshalb schwört Schroten darauf: „Wir müssen auf uns schauen.“
In der Vergangenheit hagelte es Kritik, dass der JFV, vor allem der alte JFV A/O/H, kleineren Vereinen Talente abwirbt. „Wenn wir uns Spieler von außerhalb dazu holen, wollen wir uns nicht mit bis zu fünf, sechs, sondern den ein, zwei besten Spielern verstärken.“ Der JFV schreibe nur ein, zwei Spieler an und halte sich an die Jugendordnung, die Stammvereine zu informieren, wenn sie Spieler zum Training einladen. Das bedeute Qualität statt Masse.
Aus diesem Grund sei es für den JFV existenziell, so viele Kinder wie möglich aus der eigenen Jugend in den Leistungsbereich zu integrieren. „Den Leistungssport kannst du nicht ohne den Breitensport machen – umgekehrt genauso wenig“, sagt Schroten.
In Schrotens Büro stehen Trophäen auf einem Regal neben der Eingangstür. Auch die rot-silberne U19-Trophäe im Stil eines Yin- und Yang-Symbols. Die A-Junioren wurden letzte Saison Regionalliga-Meister und schafften es ins Pokalfinale. Der Bundesliga-Traum blieb dem Team aber aufgrund eines Wechselfehlers vergönnt.
„Langfristig ist es nicht machbar, sich in der DFB-Nachwuchsliga zu etablieren. Es ist schwer, sich diese Rahmenbedingungen zu erwirtschaften“, sagt Schroten. Die Meisterschaft war ein „Ausreißer nach oben“. Es sei „kein Muss“ das zu wiederholen oder oben mitzuspielen. Schroten nimmt den Druck von den Regionalligakickern. Druck würden sich die Spieler schon selbst genug machen.
Wie hält man den JFV A/O/B/H/H am Laufen?
42 Mannschaften, rund 750 Spielerinnen und Spieler kicken für den JFV. „Das ist ein richtiges Brett“, sagt Schroten. Der JFV könne nur weiter wachsen, etwa auf 1000 Fußballer, wenn auch das Ehrenamt wächst.
Diesen großen Verein am Laufen zu halten, sei eine Gratwanderung. Sie macht „tierisch Spaß, ist aber auch eine „schwierige Herausforderung“.
„Manchmal hat man das Gefühl, ein Anliegen mit den Verantwortlichen geklärt zu haben, und man denkt, man hat Ruhe“, sagt Schroten, schüttelt den Kopf und schmunzelt: „Dann kommt schon das nächste Problem.“
Schroten ist fast 24/7 auf dem Sportplatz. Ohne Smartphone in der Hand geht es bei ihr nicht. „Abends und am Wochenende lege ich das Handy beiseite“, sagt Schroten. Abschalten, um abzuschalten. Sie rühre ihr Hauptarbeitsgerät aber nur in den Maßen nicht an, in denen sie es könne. Denn: Das Smartphone ist ihr zuverlässiger Ergebnislieferant. Samstagabends checke sie die Endergebnisse aller JFV-Teams.
Bei einigen Spielen schaut sie zu, wenn sie nicht gerade ihre U13 coachen muss. Schroten weiß, wann genug ist: „Jedes Wochenende vier, fünf Spiele zu sehen, übersteigt meinen Horizont. Dann würde es mein Privatleben nicht mehr geben.“ Gerne würde sie die Wertschätzung, bei Spielen präsent zu sein, allen Teams geben. Das sei aber nicht möglich.
Das sind die Schattenseiten ihres Jobs. Was sie auch beschäftigt: Das Verhalten von Eltern auf Fußballplätzen, aber auch von Trainern und Spielern, sei laut Schroten ein Gesellschaftsproblem. Die Stimmung dort werde immer negativer und aggressiver. Der JFV arbeitet präventiv, das zu verbessern.
Die Lichtseiten ihres zeitaufwendigen Jobs überwiegen. Rund um die Uhr an Fußball zu denken, macht Schroten glücklich.
Quelle: Stader Tageblatt
Mit freundlicher Genehmigung von Tageblatt.de